Die Mondlandung als Western − 2. Teil
Der geteilte Apfel

Auf der Oberflächen-Ebene spielt der vom Baum fallende Apfel auf die Anekdote an, Newton sei durch die Beobachtung eines senkrecht fallenden Apfels auf die Idee zu seinem Gravitationsgesetz gekommen. Der um seine Achse rotiernde kugelige Apfel im Video erinnert an die Himmelskörper unseres Sonnensystems (z.B. den Mond). Man sagt auch, Newton habe die Vorstellung in die Physik eingebracht, dass die Naturgestze der Erde auch im Weltraum gültig seien. Die denkerische Voraussetzung also, eine Mondfahrt überhaupt berechnen zu können.

Auf der Symbol-Ebene lässt die Kombination von Apfel und Schlange an die biblische Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies denken. Allerdings war der Apfel(baum) wohl nicht Bestandteil der ursprünglichen Erzählung der Genesis. Diese Spezifizierung − im ursprünglichen Text war wohl lediglich von einer Frucht vom Baum der Erkenntnis die Rede − wird Aqiula Ponticus zugeschrieben, der im 2 Jhrh. das Alte Testament aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzte (Quelle 1, Quelle 2).

Wie auch immer, heute ist im Westen die Vorstellung vom Baum des Erkenntnis als eines Apfelbaums weit verbreitet. Das erste Menschenpaar teilt sich einen Apfel, den Eva von der Schlange gereicht bekommen hatte. Auch im R.E.M.-Video entsteht ein (optisch) geteilter Apfel, wenn man die Einstellung, in der der rotierende Apfel groß im Bild ist (Min 1:50), mit der vorherigen oder der nachfolgenden Einstellung überlagert:



Bild-Unterkante schneidet großen Apfel optisch durch. Überlagerung der Standbilder von Min 1:47 und Min 1:50





Bild-Oberkante schneidet großen Apfel optisch durch. Überlagerung der Standbilder von Min 1:50 und Min 1:51


Klappt man die obere Hälfte des geteilten Apfel nun nach hinten auf, entsteht folgendes Bild:



Untere Häflte


Obere Häflte

(Natürlich sind dann nicht in beiden Hälften die Kerne enthalten. Ich habe hier zu Demonstrationszwecken einfach das Bild gedreht.)
Die Kerngehäuse-Hälften ähneln einem Pentagramm − die eine Hälfte einem aufrecht stehenden, die andere einem umgedrehten.
Indem sie den Apfel teilen, halten Adam und Eva nun zwei reziproke Versionen des Pentagramms in der Hand. Dabei erscheint die obere Apfelhälfte mit dem Stiel als Phallussymbol männlich, die untere mit den Kelchblättern als verkümmerter Blütenrest weiblich (Blüte als Vulva) (vgl. "Fruchtentwicklung beim Apfel").

Folge des Apfelkonsums ist das Bewusstsein um die eigene Sündhaftigkeit, ich übersetze das mal mit 'Bewusstsein der eigenen Geschlechtlichkeit'. Dieses Bewusstsein ist es, das das Gefühl der Unvollständigkeit vermittelt, das Gefühl des Getrenntseins. Folge ist der Verlust der Perfektion (symbolisiert in der ursprünglichen kugelrunden, 'perfekten' Form des Apfels) und der Verlust der Glückseligkeit (Vertreibung aus dem Paradies). Mann und Frau erscheinen nun an den jeweils anderen verwiesen, aufeinander angewiesen, wollen sie eine glückselige Vollständigkeit wiedererlangen (etwa im Liebesakt oder, sublimer, in der Partnerschaft).

Die beiden Pentagramme funktionieren aber noch auf einer weiteren Ebene − und hier kommt Ägypten ins Spiel:
Bekanntlich beträgt der Innenwinkel einer Pentagramm-Spitze 36 Grad.



Innenwinkel der beiden Pentagramme



Zusammen zählen die Pentagramme zehn Spitzen mit einem Innenwinkel von 36 Grad, was in der Summe 360 Grad ergibt. Das Kalenderjahr der Alten Ägypter zählt 365 Tage, bestehend aus 36 Abschnitten à 10 Tagen ('Dekaden') und 5 Übergangstagen. Den 36 Abschnitten waren Sternbilder und Gottheiten zugeordnet (vgl. Astro.com, "Dekangott"). Die Übergangstage bezeichnet man als "kleines Jahr" (vgl. Wikipedia, "Ägyptische Sternuhren", Abschnitt "Dekan-Sterne"). Zählt man zu den beiden Apfelhälften noch den im Video vorher gezeigten, ungeteilten (!) kleineren Apfel als Repräsentanten dieser 5 Tage hinzu, bilden großer und kleiner Apfel zusammen ein vollständiges ägyptisches Kalenderjahr ab.

Der große Apfel fällt ab Min 1:50 des Videos:   15 = 5 + 5 + 5

Zwei große Pentagramme der Apfelhälften (5 x 36 + 5 x 36 = 10 x 36 = 360) und ein kleines Pentagramm des kleinen, ungeteilten Apfels (5 Tage) ergeben 365 Tage.

Unmittelbar nach dem Apfelfall erscheinen im Video zwei ägyptische Pyramiden hinter einem über die Ufer getretenen Nil (Min 1:54).




Ägyptische Pyramiden spiegeln sich in der Nilflut.

Bildkompositorisch fällt zunächst auf, dass die Spitze der rechten Pyramide genau die horizontale Bildmitte markiert. Ordnet man der Gesamtbreite des Bildes die Jahreslänge von 365 Tagen zu, so entspricht der Abstand zwischen den beiden Pyramidenspitzen dem Zeitraum von 70 Tagen.

Das ägyptische Kalenderjahr (Sothisjahr) beginnt mit dem Wiederscheinen des Sirius am Himmel und dem Einsetzen der Nilflut. Die mittige Pyramidenspitze markiert also den Jahresbeginn des altägyptischen Jahres, während die linke Pyramidenspitze den Beginn der letzten 70 Tage des Jahres anzeigt. In diesen besonderen Tagen wird der Pharao einbalsamiert, bevor er in seiner Grabstätte in der Pyramide aufgebahrt wird. So jedenfalls die offizielle Version der Ägyptologen, die behauptet, die Pyramiden seien in erster Linie Grabstätten der Pharaonen gewesen.

Auf die Pyramiden-Einstellung folgt eine Szene, die eine sich im Sand windende Schlange zeigt, an der der Cowboy vorbeigeht. In Minute zwei des Videos berührt die Schlange mit ihrem Kopf ihren Schwanz:



Zwei Bilder zeigen ein und dieselbe Schlange. Kopf der Schlange berührt Schwanz derselben Schlange

Das Symbol der sich in den Schwanz beißenden / sich selbst fressenden Schlange, die mit ihrem Körper so einen Kreis bildet, ist bereits in der Ikonografie des Alten Ägypten belegt (vgl. Wikipedia, "Ouroboros"). In dem Buch Chrysopoeia der 'Kleopatra der Alchemistin', die in der Spätzeit des ägyptischen Reiches lebte, taucht das Symbol als Illustration auf. Auch hier besteht die Schlange aus zwei Teilen.



Illustration aus Chrysopoeia (Wikipedia)


Illustration aus Alchemiebuch (ca. 1785; Wikipedia)

In der Alchemie findet sich eine Variante des Zwei-Schlangen-Symbols (die obere geflügelt), die sich gegenseitig in den Schwanz beißen und dabei einen Kreis bilden.

Dem Ouroboros-Symbol werden vielfältige Bedeutungen zugeschrieben. In unserem Zusammenhang der bipolaren Trennung von Mann und Frau kann das Zeichen als Darstellung der wiedergefundenen Einheit und Überwindung der Trennung interpretiert werden. Die der sich selbst verzehrenden Schlange zugeschriebene Bedeutung 'Autarkie' (sie ist sich selbst Nahrung und benötigt daher keine Energie von außen) passt auf das Ideal eines harmonischen Liebespaars, das eine bereichernde Beziehung führt und wunschlos glücklich ist.

Dass die Schlange im Video genau in Minute zwei (= 120 Sek) des Videos ihren Schwanz berührt, passt zur Grundzahl 12 der Sekundenanzahl, die für einen vollständigen Kreis − etwa des Sonnenjahres mit 12 Monaten oder unseres Zifferblattes mit 12 Stunden − stehen kann.

Der einsame Cowboy dagegen, dargestellt durch den offen schwul lebenden Michael Stipe, zieht weiter durch die Wüste.


Die beiden als männlich und weiblich konnotierten Pentagramme lassen sich auch auf die beiden Billardspieler beziehen: Beim weiblichen Pentagramm stehen vier Ecken (= die vier Elemente) über der fünften (= geistige Quintessenz), die Materie/das Fleischliche dominiert also das Geistige. Beim männlichen Pentagramm ist es umgekehrt, der Geist dominiert. Kein Wunder, dass nur Männer als Logenmitglieder und Himmelfahrer in Frage kommen. Wenn Frauen dabei sind, gehts dann eben auch schief, wie der Challenger-Absturz von 1986 beweist. Das Logo der Mission, der Astronauten beiderlei Geschlechts angehörten, zeigt übrigens auch einen Apfel als zehntes (5+5) Zeichen (nach dem Namen einer Astronautin).

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